Springe direkt zu Inhalt

Forschungsorientierte Lehre

des Teilprojekts C02 "Askese in Bewegung: Formen und Transfer von Übungswissen in Antike und Spätantike", Leitung: Prof. Dr. Almut-Barbara Renger

Sommersemester 15

Almut-Barbara Renger, Alessandro Stavru, Alexandra Stellmacher
„Übungswissen“ in antiker Religion und Philosophie

Übung als Selbstschulung aus religiöser oder philosophischer Motivation diente in vielen antiken Traditionen des euroasiatischen Raums der Erlangung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Tugenden sowie von Glück, Heil und Erlösung. In der griechisch-römischen Antike verweisen verschiedene Begriffe (z.B. griech. melete, askesis und gymnastike, lat. cura und exercitium) auf eine solche „Übung“, die zugleich als Selbstdisziplinierung und Lebensweise galt. Im Seminar werden wir Texte (von den Vorsokratikern über die Stoiker bis hin zu christlichen Autoren der Kaiserzeit und Spätantike) studieren, die körperliche und geistige Praktiken als konstitutiven Bestandteil religiöser und/oder philosophischer Übungspraxis thematisieren. Ziel ist es, die Testimonien systematisch auf Formen und Bestände theoretischen und praktischen Wissens und Könnens zu befragen, die solcher Übungspraxis zum einen zugrunde lagen und sie zum anderen hervorbrachten. Ausgewählte Beispiele aus Judentum und Islam, Hinduismus und Buddhismus werden vergleichend in die Betrachtung einbezogen und mit Blick auf religionswissenschaftliche Fragestellungen diskutiert.

  

Almut-Barbara Renger, Tudor Sala
Meister-Schüler-Beziehungen im euro-asiatischen Raum: Spannungen, Brüche, Konstruktionen

Meister-Schüler-Beziehungen sind seit der Antike im euroasiatischen Raum präsent und bedeutsam. Ihre historische Erforschung beschränkt sich jedoch traditionell auf die jeweilige (i.d.R. männliche) Figur des Lehrers/Meisters und institutionelle Perpetuierungen der Beziehung in Verbindung mit Tempeln, Schreinen, Schulen, Klöstern und formalisierten Netzwerken. Demgegenüber nimmt unser Seminar gerade das Phänomen der Meister-Schüler-Beziehung abseits bekannter Institutionen und der gängigen „great men theory of leadership“ in den Blick: Im Fokus stehen „vergessene“ männliche und weibliche Meister und ihre Schüler, wie sie z.B. in spätantiken Papyri und abseitigen asiatischen Quellen dokumentiert werden. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die inhärenten Spannungen der Meister-Schüler-Beziehung, wie sie sich z.B. in Rollen-Inversion, reverse leadership, Gewaltanwendung, sexueller und psychischer Misshandlung, Korruption u.ä. äußern. Durch den Blick hierauf, sowie auf mögliche Brüche in der Beziehung aus Sicht der Schüler, soll die wissenschaftstraditionelle Dichotomie zwischen einem aktiven (gebenden) und einer passiven (empfangenden) Teil hinterfragt werden.

  

Alessandro Stavru
„Wissensethik“ in der griechischen Religion und Philosophie

Wissen spielt in der griechischen Ethik eine prominente Rolle. Sowohl in religiösen als auch in philosophischen Texten der griechischen Antike wird die Auffassung einer „Wissensethik“ vertreten, die bis in den Hellenismus hinein mit verschiedenen Akzentuierungen diskutiert wird. So findet man bei Homer Stellen, in denen Helden um Tugenden und Fähigkeiten wissen, in der Tragödie Beschreibungen eines unermesslichen, zumeist frevelhaften Durstes nach Wissen, in der vorsokratischen Philosophie die Hervorhebung einer göttlichen, auf „Wahrheit“ ausgerichteten Erkenntnis, bei Platon und anderen Sokratikern die Auseinandersetzung mit einem „philosophischen Intellektualismus“, wonach ethisches Fehlverhalten unmöglich ist, bei Aristoteles die scharfe Trennung zwischen ethischem und epistemischen Wissen und die damit zusammenhängende Dichotomisierung von ethischen und dianoetischen Tugenden. Ziel des Seminars ist die vergleichende Untersuchung dieser Auffassungen sowie ihrer Ursprünge und Wandlungsprozesse. Zu diesem Zweck werden verschiedene Texte dieser Autoren in die Betrachtung einbezogen und im Hinblick auf religionswissenschaftliche Fragestellungen analytisch erläutert.

  

Wintersemester 14/15

Almut-Barbara Renger/Christoph Wulff
Interdisziplinäre Ringvorlesung: Körperwissen: Transfer und Innovation
in Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Historische Anthropologie, Freie Universität Berlin

Körperwissen – „Wissen über den Körper“ und „Wissen des Körpers“ – ist integraler Bestandteil einer Wissensgeschichte, die über disziplinäre Traditionen und Grenzen von Kulturen und Gesellschaften hinaus die Verwebung von Erkenntnisprozessen, gesellschaftlichen Werten und kulturellen Praktiken untersucht. Gegenstand der Lehrveranstaltung sind Prozesse des Wissenswandels und der Innovation, die durch den Transfer von Körperwissen sowohl innerhalb von als auch zwischen europäischen und nicht-europäischen Kulturen bedingt sind. Die Lehrveranstaltung ist als interdisziplinäre Vorlesungsreihe angelegt, die verschiedene Disziplinen umfasst, u.a. alte und neue Philologien, Kunstgeschichte und Geschichte, Theologie und Religionswissenschaft, Historische Anthropologie und Sozialanthropologie, Soziologie und Psychologie. In den einzelnen Präsentationen werden jeweils verschiedene Formen des Körperwissens und die Veränderungen, die sie bei ihrem Transfer erfahren, in Kulturen nicht nur Europas, sondern auch Asiens und Amerikas untersucht.

  

Prof. Almut-Barbara Renger, Dr. Tudor Andrei Sala
Askese im christlichen Mönchtum: Transfer und Transformation

Thema des Seminars sind bestimmte Spielarten der Askese, die im antiken christlichen Mönchtum von Ägypten und Syrien bis nach Irland und Zentralasien in kulturspezifisch unterschiedlicher Prägung auftraten. Wir werden ihren Varianten nachgehen und damit kulturspezifischen Beständen und Formen von Übungswissen, die für das jeweilige Askeseverständnis konstitutiv waren. Um zu zeigen, wo kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen, werden wir die Akteure, ihre Motivationen und Ziele gleichsam unter einem Vergrößerungsglas in den Blick nehmen. Was für Frauen und Männer waren es, die ein engelgleiches Leben anstrebten, sei es in Wüsten oder in Klöstern, sei es auf Bäumen oder in Gräbern? Was trieb sie an, ihre Körper und Seelen zu kasteien und zu disziplinieren? Was dachten und träumten sie? Was aßen und wie kleideten sie sich? In welche Sozialstrukturen waren sie eingebunden und in welchem Verhältnis standen sie zu den Kirchen? Und, zu guter Letzt, wie veränderte sich ihr theoretisches und praktisches Wissen im Zuge intra- und interkulturellen Transfers – und in welchen Transformationen begegnet es uns heute?