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Cyborgs, Bildträgerinnen, Plot-Maschinen: Figur-Ding-Beziehungen in europäischen Constance- und Floire-Erzählungen

Unterprojekt von Antonia Murath


Das Projekt setzt an der Kreuzung von Philologie, Dingforschung und Gender an. Es untersucht komparatistisch die Figur-Ding-Beziehungen der mittelhochdeutschen Versromane Flore und Blanscheflur und Mai und Beaflor (13. Jh). Die Geschichten der Liebe einer christlichen Sklavin und einem muslimischen Prinzen (Floire) sowie der unschuldig verfolgten, letztlich triumphierenden Kaisertochter (Constance) zirkulieren transkulturell. Vergleichende germanistische Arbeiten haben dennoch vor allem bilaterale Verhältnisse erforscht (französische Einflüsse; Boccaccio-Rezeption). Ich situiere die Romane in ihren Textnetzwerken neu: Datenbanken über Motivvarianzen zwischen 48 Versionen ermöglichen sowohl einen breiten Vergleich als auch die gezielte Auswahl von je vier, bislang in der Germanistik wenig beforschten, Fassungen, die intensiv vergleichend mit den mhd. Versromanen gelesen werden. Die Analysen verbinden ein dingtheoretisches mit einem genderorientierten Interesse, denn die Texte kombinieren aufwändig erzählte Dingkörper (z.B. edelsteinbesetzte Gewänder; gravierte Objekte; überwältigende Architekturen) mit dem ebenfalls in materialen Begriffen erzählten Körper der Protagonistin. Diese entwickelt im Zuge ihrer Marginalisierung eine Wirkmacht, die sich etwa in Begehrensstrukturen, Massenkonversionen oder Revolten gegen feudale Autorität äußert. Es ist ihre Verbindung mit den kostbaren Dingen, so die These, die diese Wirkmacht erzeugt. Mit Rückgriff auf posthumanistische Theorien erörtere ich, wie menschliche und nicht-menschliche Körper zu einer vernetzten, emergenten und gegenderten Konfiguration verschmelzen (Cyborg) und welche Erzählstrukturen, Sinnbildungen zwischen transkulturellen Verflechtungen, Imperium, Lineage und Macht sowie poetologische Reflexionsebenen über den Status der Texte als Adaptionen einer zirkulierenden Erzählmaterie diese Konfiguration generiert.