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Mediale Transferprozesse und die Episteme des vergleichenden Sehens in der Frühen Neuzeit

Unterprojekt von Dr. Britta Dümpelmann


Im Zentrum des Vorhabens stehen Praktiken und Konzepte medialer Transferprozesse vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, die in enger Verbindung mit einem epistemologisch motivierten, vergleichenden Sehen stehen. Inwiefern machte die Gegenüberstellung gleichbleibender Motive bei variierender ästhetischer Ausführung die verschiedenen Valenzen künstlerischer Arbeitsprozesse zwischen Invention und Ausführung beobachtbar, sodass diese zum Gegenstand der Kommunikation mit und über Kunst wurden? Bringen diese Verfahren eine eigene Form nicht-begrifflichen Wissens hervor?

Besonders im Fokus steht hierbei die impulsgebende Rolle der Druckgraphik, deren Wahrnehmung gerade in ihrer Frühgeschichte produktions- wie rezeptionsästhetisch zwischen Zeichnung, Malerei und Skulptur oszilliert. Als gespaltenes Werk (Stoltz 2013) oder als Medium, das eine gleichzeitige Präsenz wie Absenz einer erfolgten Berührung kennzeichnet (Didi-Huberman 1999), eignen dem gedruckten Bild nicht nur genuin intermediale, sondern auch figurale und temporale Aspekte: So geht die Invention in Form der auf die Druckplatte übertragenen Vorzeichnung dem Schnitt oder der Gravur voraus, wird im ausgeführten Werk jedoch nur als Rest einer sprachlichen, in Gestalt der Signatur ausgewiesenen Nennung (invenit) greifbar. Dem Betrachter steht allein der mechanisch hergestellte Abdruck vor Augen (fecit). Die oftmals verkürzt als reproduzierendes Medium verstandene Druckgraphik scheint insofern maßgebliche Impulse für mediale Transferprozesse zwischen Malerei, Zeichnung oder Skulptur gegeben zu haben. Wenn ästhetische Gestaltungsmodi wie monochrome oder polychrome, lineare oder tonale, flächige oder plastische Ausformung gerade in ihrer unmittelbaren Gegenüberstellung umso schärfer konturiert hervortreten, ist zu fragen, in welchem Zusammenhang vergleichendes Sehen, Episteme und Ästhetik stehen.

Eine paradigmatische Fallstudie des Projekts bildet ein um 1600 am rudolfinischen Kaiserhof konzipierter „Kunstkasten“, der eine grün grundierte, auf Holz aufgezogene Helldunkelzeichnung eines Kalvarienberges von Albrecht Dürer (monogrammiert und datiert: AD 1505) einer rund einhundert Jahre späteren Übertragung des Motivs in ein Gemälde von Jan Brueghel d. Ä. in Öl auf Holz (signiert: A.D. INVENTOR 1505 / BRVEGHEL. FEC. 1604) gegenüberstellte. Die durch Scharniere untrennbar verbundene Rahmendisposition zeugt von Kaiser Rudolfs Sammelinteresse scheinbar gleicher Motive, in denen die unterschiedliche mediale Ausformung und individuelle Ästhetik einer jeden Ausführung genau studiert werden konnten.