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Erzählungen vom Fliegen in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

(376265313729330)

TypSeminar
Dozent/inFalk Quenstedt
SemesterWintersemester 2020/2021
Veranstaltungsumfang2 SWS
Raumdigital
Beginn05.11.2020
Zeit

Do 14:00–16:00

Kommentar

Das Fliegen ist keine Erfindung der Moderne, in mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Literatur findet sich eine Fülle von Narrativen, die in ganz unterschiedlichen Konstellationen und mit verschiedenen Intentionen Flüge menschlicher Figuren darstellen. Solche Erzählungen vom Fliegen bilden in je spezifischer Weise besonders enge Schnittstellen von Literatur, Religion, Gender, Wissens- und Technikgeschichte – ganz gleich, ob Heilige oder Häretiker in die Lüfte aufsteigen, Alexander der Große den Himmel erkundet, Propheten oder Dichter das Jenseits erblicken, höfische Damen auf gezähmten Greifen reitend dem Ritter zu Hilfe eilen, Gelehrte den Vogelflug beschreiben und imaginär den Mond auskundschaften, oder Hexen zum ‚Sabbat‘ sausen. Auch handeln Flugerzählungen nicht nur auf der Darstellungsebene von Grenzüberschreitungen und von der Überwindung großer Distanzen, konstruieren das Fremde und spielen verschiedene Weisen des Umgangs damit durch, sondern gehen literarturgeschichtlich selbst oft auf Transfers zwischen europäischen und nicht-europäischen Literaturen und Wissenstraditionen zurück und verknüpfen so entfernte Orte und Zeiten miteinander.

Erzählungen vom Fliegen sind daher ein geeigneter Gegenstand um jüngere Paradigmen wissens- und technikgeschichtlicher Theoriebildung (etwa im Anschluss an Bruno Latours Soziologie der Assoziationen und Existenzweisen) auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Literatur zu beziehen. Durch die charakteristische Transkulturalität von Flugerzählungen lassen diese sich zudem mit Ansätzen globalgeschichtlich orientierter Literaturgeschichte verbinden. So können Perspektivierungen deutschsprachiger Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit erprobt werden, die sich nicht primär durch eurozentristische, auf Episteme und Ästhetiken der Moderne bezogene Narrative leiten lassen, sondern sich an alternativen Koordinaten orientieren, wie sie etwa die jüngere Globalgeschichte – insbesondere in Gestalt der Mediterranean Studies – im Anschluss an postkoloniale Theoriebildung entwickelt. Der Fokus auf das Motiv des Fliegens ermöglicht es zugleich, verschiedene literatur- und kulturgeschichtliche Situationen deutschsprachiger Literatur aufeinander zu beziehen. Im Seminar werden gemeinsam Flugepisoden aus verschiedenen Erzähltexten im Dialog mit theoretischen Texten gelesen und diskutiert. Hierfür wird zu Semesterbeginn ein Reader zur Verfügung gestellt.