Springe direkt zu Inhalt

Bildungsinstitutionen in der Spätantike

(16200)

TypVorlesung
Dozent/inProf. Dr. Gyburg Uhlmann
SpracheDeutsch
SemesterSoSe 2014
Veranstaltungsumfang2 SWS
RaumHabelschwerdter Allee 45 J 27/14
Beginn15.04.2014 | 10:15
Ende15.07.2014 | 11:45

Literaturliste

Zur Einführung empfohlen: Rainer Thiel, Aristoteles. Kategorienschrift in ihrer antiken Kommentierung, Tübingen 2004; Edward Watts, City and School in Late Antique Athens and Alexandria, Berkeley 2006; Han Baltussen, From Polemic to Exegesis: The Ancient Philosophical Commentary, in: J. Lavery (Hg.), Genres in Philosophy. Poetics Today (Special Issue) 28.2 (2007), 247-318; L. G. Westerink, Anonymous Prolegomena to Platonic Philosophy, Amsterdam 1962 (darin: Introduction).

Kommentar

Das 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. haben eine reiche Literatur hervorgebracht, die unmittelbar oder mittelbar aus dem Kontext philosophischer Bildungsinstitutionen der beiden großen intellektuellen Metropolen Athen und Alexandria hervorgegangen ist. Zu dieser gehören protrepetische und propädeutische Schriften, Viten, die paradigmatische Lebensentwürfe an einzelnen großen Lehrerpersönlichkeiten vorstellen, unabhängige wissenschaftliche sachliche und polemische Traktate, Streitschriften in dialogischer oder systematisch argumentierender Form, und vor allem verschiedene Arten und Formen von Kommentartexten, deren Grundlagentexte vor allem die Dialoge Platons und die sog. Pragmatien des Aristoteles (also die uns überlieferten für den Schulgebrauch verfassten wissenschaftlichen Abhandlungen aus der Akademie) waren: wissenschaftliche Aristoteles-Kommentare in der Form von Vorlesungsmitschriften, Kommentare zur Arithmetik-Einführung des Nikomachos von Gerasa, propädeutische Schulkommentare zu Platon, wissenschaftliche Aristoteles-Kommentare aus dem Kontext der Schule in Alexandria, Glossen in Aristoteles-Codices, die spätantike Kommentare zusammenstellen und ergänzen, und solche wissenschaftlichen Aristoteles-Kommentare, die nicht unmittelbar aus dem Schulbetrieb hervorgegangen sind. Angesichts dieser reichen Textproduktion überrascht es, wie wenig Konkretes wir über die Bildungspraxis wissen: über die institutionelle Verortung des Unterrichts in einer Schule oder .Universität., die mündlichen Unterrichtsmethoden, die Beteiligung der Studenten am Unterricht, die Charakteristik derjenigen, die in diesen Schulen oder Universitäten lernten, die Motivation der Eltern, ihre Kinder dort ausbilden zu lassen, die gesellschaftliche Rolle und Funktion in paganen und christlichen Kontexten usw. In der Vorlesung sollen alle heute praktizierten und dem Gegenstand applikablen Methoden historischer, wissens- und kulturwissenschaftlicher Forschung vorgestellt und in der Praxis ausgelotet werden. Dazu gehören philologische, kodikologische, paläographische, sozialgeschichtliche, religions- und wissensgeschichtliche, philosophiehistorische, kultur- und literaturwissenschaftliche. Das Ziel ist, die aus diesen Bildungsinstitutionen hervorgegangenen Texte in ihre verschiedenen Kontexte, in denen sie stehen und die sie selbst durch ihre Funktion als Akteure von Wissensbewegungen hervorbringen und bedingen, zu stellen und aus diesen heraus und in diesen zu verstehen. Zu diesen Kontexten gehören in diachroner Perspektive die Traditionslinien des Aristotelismus und Platonismus sowie der den Elementarunterricht prägen- den Ausbildung in Sprache, Rhetorik und Logik sowie in den mathematischen Disziplinen (später zusammengefasst unter den Begriffen .Trivium. und .Quadrivium.), in synchroner Perspektive die zeitgenössische oder in der näheren Vergangenheit verortete Auslegungstechnik und -praxis sowie die Abgrenzungsbewegungen zwischen paganer und christlicher Religionspraxis und Theologie mit ihren unterschiedlichen Referenztexten, aber auch die kommentierten und im Unterricht einem Verständnis zugeführten Texte früherer Autoritäten und Lehrer, die selbst ein durch Verweise evozierbarer und durch Vernetzung des vorliegenden Textes mit anderen zu einem Netz zusammenführbarer Kontext sind. Mit der Analyse von Wissensbewegungen im Umkreis zweier bedeutender Bildungsinstitutionen diskutiert und verwendet die Veranstaltung Begriffsinstrumente und konzeptionelle Anregungen aus dem Forschungsprogramm des SFB 980 Episteme in Bewegung. Für die Erschließung der mündlichen Unterrichtspraxis als Form der Wissenserschließung und Wissensbewegung soll in der Veranstaltung eine Auswahl an Texten aus unterschiedlichen Gattungen und Textsorten die Grundlage bilden, die unmittelbar Aussagen oder mittelbare Reexe und auswertbare Produkte dieser Praxis enthalten.