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Literary Knowledge, Translation and Phanariot Self-fashioning

Workshop des Teilprojekts C06 „Transfer und Überlagerung. Wissenskonfigurationen in der Zeit der griechischen homines novi im Osmanischen Reich (1641-1730)“, 25.–26.09.2015

17.01.2016

A Greek Lady of Constantinople, Early 18th century, Oil painting attributed to Jean Baptiste van Mour (1671–1737)

A Greek Lady of Constantinople, Early 18th century, Oil painting attributed to Jean Baptiste van Mour (1671–1737)
Bildquelle: Benaki Museum, Athens. Inv. no. 9309

Bericht von Nikolas Pissis

Mit diesem Workshop wurde die Folge der sechs vom Teilprojekt als Reihe konzipierten und organisierten Arbeitstreffen, deren Leitfaden in einem gedachten Rundgang durch die Bibliothek der Mavrokordati und ihre jeweilige Wissenszweige bestand, abgerundet. Dieses Mal stand das literarische Wissen im Mittelpunkt, seine Gattungen, Praktiken und Funktionen im Zusammenhang der Identitätskultivierung und Repräsentation der frühen Phanarioten. Ein besonderer Schwerpunkt wurde dabei auf Aspekte der sprichwörtlichen Mehrsprachigkeit der Phanarioten gelegt, sowohl auf Übersetzungspraktiken als auch auf deren ostentativen Archaismus.

Nach der Einführung von Miltos Pechlivanos (FU Berlin) in die Problematik des Workshops und den Forschungsansatz des Teilprojekts beleuchtete Jacques Bouchard (Universität Montréal) die programmatische Funktion des Archaismus, der von der Mavrokordati kultivierten Hochsprache („Refined Attic Greek: hallmark of the emerging Phanariot nobility“) im Dienste von Abgrenzung, Selbstinszenierung sowie Repräsentation in der europäischen Gelehrtenrepublik. Johann Strauss (Universität Strasbourg) fragte nach der Rolle des Osmanischen und des Türkischen in der Wissenskultur der Phanarioten und betonte deren Vorreiterrolle für die Entwicklung der modernen türkischen Terminologie durch Übersetzungen aus westeuropäischen Sprachen („The position of Turkish within Phanariot linguistic and literary culture“). Gegenstand des Beitrags von Stessi Athini (Universität Patras) war die französische Literatur bzw. Buchproduktion des 17. und frühen 18. Jahrhunderts und ihre Präsenz in der Bibliothek der Mavrokordati. Ausgehend vornehmlich von den Lektüren des jungen Fürstensohns Skarlatos Mavrokordatos fragte sie nach den Bedingungen sowie nach der Grad der Gleichzeitigkeit ihrer Rezeption („The French Classicism at the Court of the Mavrokordati“).

Die beiden folgenden Beiträge betrafen das Werk des Begründers des phanariotischen Oikos, Alexandros Mavrokordatos, Vater des Fürsten Nikolaos. Kostas Sarris (FU Berlin) befasste sich mit dem Platz der Rhetorik in der Lehrtätigkeit von Alexandros an der Konstantinopler Patriarchatsakademie und arbeitete seine Anlehnung an jesuitische Vorbilder sowie deren kreative Appropriation heraus („Orator's invention in the Patriarchal Academy: the Compendium of Rhetoric Art by Alexandros Mavrokordatos“). Einen rhetorischen Text, die Gesandtschaftsrede, die Alexandros im Zuge seiner diplomatischen Mission nach Wien (1688-1692) verfasste, stellte Nikolas Pissis (FU Berlin) vor. Er ordnete sie in den Zusammenhang seiner Selbstinszenierung als kulturellen Vermittlers und gelehrten Diplomaten ein und zeigte Berührungspunkte zum Selbstbild früheren Dragomane oder zum Werk seines Sohns Nikolaos auf („Self-fashioning of the dragoman: Alexandros Mavrokordatos’ Speech to the Germans“).

Nikos Mavrelos (Demokrit Universität Thrakien) diskutierte Nikolaos Mavrokordatos’ Romanentwurf Philotheou Parerga im Sinne seiner Gattungszuordnung ausgehend von einer näheren Bestimmung seiner Bezeichnung als „Nebenwerk“ (Parergon) („Representations of reality in early modernity. Nicolaos Mavrocordatos' Parergon (old and new genres and techniques“). Dasselbe Werk und insbesondere die Umstände des vom Fürsten angestrebten obgleich schließlich aufgegebenen Übersetzungs- und Editionsplans betrachtete Miltos Pechlivanos (FU Berlin) unter dem Aspekt von Nikolaos’ übergreifenden intellektuellen und politischen Projekten, um die Historizität seiner Geste im Zusammenhang der anvisierten Integration des Osmanischen Reiches in die europäische Staatenwelt während der sog. „Tulpenzeit“ zu rekonstruieren („Humanist Fiction in Fener, Diplomatic Poetics in Bucharest“).

Alexandros Katsigiannis (Universität Athen) beschäftigte sich mit der Übersetzung eines von mehreren politischen Moraltraktaten am walachischen Fürstenhof („On the „anti-poetic“ 18th century: new approaches on court poetry and the case of the translated verses of Θέατρον Πολιτικόν (1716 ms-1758 ed. inc.)“). Sein Augenmerk galt den integrierten lateinischen Versen, die der Übersetzer, Ioannis Avramios, im gesprochenen Griechisch übertrug und zwar in einer poetischen Sprache, die stilistisch zwischen der kretischen Tradition des 17. Jahrhunderts und der späteren phanariotischen Dichtung des 18. Jahrhunderts zu verorten ist. Schließlich führte Peter-Mario Kreuter (Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, Regensburg) mit Nikolaos Mavrogenis das Beispiel eines späteren, in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Fürsten an, um seine Selbst- und Fremdrepräsentation auf der Basis von Berichten habsburgischer Diplomaten nachzuzeichnen („The Staging of Power. Representation and Self-Representation of Nicholas Mavrogenes (1786-1790) in the Light of Official Documents Written by Austrian Consuls in Bucharest“).

Sowohl die sich auf Mehrsprachigkeit und Übersetzung beziehenden Beiträge als auch jene die Gattungsfragen thematisierten, halfen dem Teilprojekt, die Stellung des literarisch-ästhetischen Wissens im Oeuvre der Mavrokordati präziser zu verorten. Mit dem Bezug von räumlichen und zeitlichen Prozessen des Wissenstransfers auf die zugrundeliegenden bzw. darin sich manifestierenden Repräsentations- und Legitimationsstrategien der frühen Phanarioten, knüpfte der Workshop an die bisher erzielten Ergebnisse an. Als weiterführende Perspektive kam in der Abschlussdiskussion die Frage nach den Grenzen der untersuchten Wissensoikonomie auf, inwiefern man davon ausgehen kann, dass im literarischen Wissen tendenziell offenere Protokolle angekündigt werden, die Innovationsprozesse anstoßen.

Die Ergebnisse der nun abgeschlossenen Workshop-Reihe werden in den in der Episteme-Reihe erscheinenden Band Βιβλιοθήκη μψυχος, Vol. I: Intellectual Entanglements and Self-Fashioning of a Greek-Ottoman Elite (1641-1730), ed. by Miltos Pechlivanos, einfließen: zum einen in Form von Beiträgen, die wissenshistorische Kontextualisierungen als ein „backlighting“ aus verschiedenen Perspektiven bieten, zum anderen durch spezielle case studies zu Momenten und Aspekten des phanariotischen Wissenstransfers und nicht zuletzt in Form einer eingehenden Diskussion der Selbstinszenierung und der politischen und intellektuellen Projekte des Fürsten Nikolaos Mavrokordatos.