Springe direkt zu Inhalt

Excessive Writing: Ovid in Exile

Veranstaltung des latinistischen Teilprojekts B07 „Die Anekdote als Medium des Wissenstransfers“ in Kooperation mit dem Réseau „La Poésie Augustéenne“, 14.–16.12.2017

01.03.2018

„Apollo and Daphne by Bernini“ (Detail)

„Apollo and Daphne by Bernini“ (Detail)
Bildquelle: Joaquim Alves Gaspar über Wikimedia Commons, 2015.

Bericht von Melanie Möller
 

Im Mittelpunkt der Vorträge und der anschließenden, sehr lebendigen Diskussionen der Internationalen Tagung des Réseau „La Poésie Augustéenne“ stand die Frage des Exils, seiner politischen, historischen wie aktuellen Dimensionen und seiner literarischen Konzeption.

Zugrundegelegt wurde ein weiter gefasster Begriff von „Exil“, der es erlaubte, jede Situation, in der ein Künstler sich von einem vertrauten Umfeld – sei es geographisch oder sozial – ausgeschlossen wähnt, zu berücksichtigen; das ließ sich auch auf die Größe „inneres Exil“ beziehen, die nicht zwangsläufig mit einem wie auch immer begründeten äußeren Ortswechsel einhergehen muss. Unter „Exilliteratur“ wurde folglich jede Art von Text gefasst, der in einer erzwungenen oder selbstgewählten Isolation entstanden ist. Unter diesen Bedingungen bot Ovid mit seiner „offenen“ Exilsituation eine Art Präzedenzfall.

Da alle mit Ovids Exil verbundenen „Fakten“ seiner Verbannung durch Augustus im Jahre 8 n.Chr. umstritten sind, wurde auf der Tagung nicht versucht, die historische Realität einzuholen. Vielmehr stellte die für Ovids Exil kennzeichnende Orientierungslosigkeit einen besonderen Anreiz für die Diskussionen dar, insofern sie in einem diametralen Gegensatz zur Konkretheit des Phänomens selbst zu stehen scheint.

Ovids Exildichtung wurde aus allen erdenklichen Perspektiven auf ihre „Exilität“ hin befragt. Zu diesem Zwecke wurden vor allem die Tristien und die Epistulae ex Ponto, aber auch einschlägige Partien aus Fasti und Metamorphosen einer intensiven, problemorientierten Lektüre und Diskussion unterzogen. Ovid lässt seine im Text auftretenden „Ichs“ um ihre künstlerische und nationale Identität bangen. Die Kategorien Ort und Zeit und deren sinnliche Wahrnehmung spielen dabei eine ganz entscheidende, die einzelnen Werkteile in subtiler Weise miteinander vernetzende Rolle. Den Mythos nutzt Ovid konsequent als Folie für seine als misslich dargestellte Situation: Immer wieder vergleicht er sich mit mythischen, oft tragisch konturierten Figuren, um die Dramaturgie seines Verbannungsschicksals ins Bild zu setzen. Zugleich dokumentiert er dadurch sein Selbstbewusstsein: Als Autor, über den man spricht, ist er ebenso fest und unwiderruflich mit dem literarischen Kosmos verfugt wie die Helden der mythologischen Großerzählungen. Ovids Texte erhalten durch die mythische Überhöhung zugleich ein fiktionales Gepräge und unterstützen, so hat sich immer wieder gezeigt, die beständige Gratwanderung der Exilgedichte zwischen Fakten und Fiktionen.

Folgerichtig waren einige Beiträge schwerpunktmäßig mit den in den Exiltexten fassbaren Leserichtungen des Verhältnisses von Kunst und Leben beschäftigt (Schwindt, Haas, Möller, Fitzgerald). Die damit verbundenen Machtfragen im Spannungsgefüge zwischen princeps und poeta wurden vor allem im Kontext der Vorträge von Rosati, Galfré, Pontiggia und Labate verhandelt. Flankiert wurden diese Beiträge von grundsätzlich angelegten Analysen exilspezifischer Motive (Tomcik, Trimble, Fabre Serris), generischer Verschiebungen (Delvigo, Badura, Savva, Gale) oder des öffentlichen Status (Pillinger). Der vergleichende Blick auf die Rezeption hat den besonderen Stellenwert von Ovids Exil als Folie exzessiven und zugleich immergenten, inversiven Schreibens eindringlich vor Augen geführt (Schiesaro, Hardie, Barchiesi).

Als eine besondere Pointe durften wir während der Tagung erfahren, dass das römische Parlament aus Anlass des Bimillenniums Ovids Exil und damit den Beschluss des Augustus nach über 2000 Jahren offiziell aufgehoben hat. Das stimmt in seiner Absurdität auf der einen Seite erheiternd, wirft auf der anderen Seite jedoch ein interessantes Licht auf die Frage der Revidierbarkeit solcher Urteile in Zeit und Raum und die damit verbundenen Machtverschiebungen.

Die als Abschlussveranstaltung des Ovid-Bimillenniums 2017 konzipierte Internationale Tagung des Réseau „La Poésie Augustéenne“ begleitete am Abend des 14.12. ein Grußwort des Präsidenten der Freien Universität, Prof. Dr. Peter-André Alt, der die Arbeit der Forschergruppe würdigte, ihre aspektreichen Themen und ihre Viersprachigkeit herausstellte. Nach einigen werkeinführenden Bemerkungen der Veranstalterin gab es eine Lesung von Christoph Ransmayr aus seinem Roman „Die letzte Welt“.