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Epistemische Kategorien I: Logogramme und Logogramminventare

Workshop des Teilprojekts A01 „Episteme als Konfigurations-Prozess: Philologie und Linguistik im „Listenwissen“ des Alten Orients“, 3.06.2012

29.10.2014

Teilprojekt A01

Teilprojekt A01

Am 3. Juni fand im Sitzungsraum der neu eröffneten SFB-Villa der erste Workshop der vom Teilprojekt geplanten Reihe zum Thema ´Epistemische Kategorien´ statt. Thema war der Gebrauch von Logogrammen vorwiegend in der hethitischen Überlieferung. Eingeladen waren eine Reihe von Kollegen, die sich aktuell mit dieser Frage explizit beschäftigen: Gernot Wilhelm (Würzburg), Mark Weeden (London) und Giulia Torri (Florenz).

Der Workshop wurde von Jörg Klinger mit einem Vortrag zur Verwendung von Logogrammen in den althethitischen Texten eröffnet. In der anschließenden Diskussion wurde der Begriff der „schreiberlichen Arbeitsökonomie“ als Motivation für die Verwendung von logographischen anstatt phonetischer Schreibungen problematisiert und die mögliche Rolle von „Schreibergelehrsamkeit“ diskutiert. Im Anschluss referierte Gernot Wilhelm seine Beobachtungen bei der Bearbeitung der hethitischen Landschenkungsurkunden. In dieser Textgruppe wurde in einer frühen Phase das Akkadische zumindest auf der Ebene der Schrift so extensiv gebraucht, dass die Entscheidung zwischen „Schrift“ oder „Sprache“ oft schwer zu treffen ist. Es handelt sich in diesem Fall offensichtlich um eine ganz spezifische Form „logographischen“ Schreibens. Die Entwicklung der logographischen Schreibungen aus diachroner Perspektive war vor allem Thema des Beitrages von Mark Weeden, der sich speziell auf dem Gebrauch logographischer Schreibungen im Bereich des Verbums konzentrierte. Giulia Torri schließlich referierte ihre kritische Auseinandersetzung mit einer rezenten monographischen Untersuchung zu den logographischen Schreibungen. Die einzelnen Gastbeiträge wurden intensiv diskutiert, wobei eine Reihe von Leitfragen, die den Projektmitarbeitern und den Teilnehmern vorab in schriftlicher Form vorlagen, die Diskussion strukturierten.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen wurde der Workshop mit einem Vortrag von Cale Johnson fortgesetzt, der über die erforderliche phonologische Form von Logogrammen und deren mögliche metatextliche Funktion sprach. Im Anschluss wurde sehr intensiv und grundsätzlich die Möglichkeiten eine schlüssigen Definition des Logogrammbegriffes im Kontext der keilschriftichen Überlieferung diskutiert. Zum Abschluss stellte Sebastian Fischer den Sonderfall der hurritischen Schultradition vor, die sich durch einen weitgehenden Verzicht auf Logogramme auszeichnet. Der Workshop endete nach einer letzten Diskussionsrunde um 16.30 Uhr.

Von den Organisatoren und allen Teilnehmern wurde der Workshop als sehr gelungen empfunden, was einerseits an dem vorwiegend dialogisch orientierten Konzept lag, das intensive Diskussionen ermöglichte, die wiederum durch die vorab formulierten Thesen und Leitfragen thematisch fokussiert verliefen.

Ergebnisse

Es wurde deutlich, daß die hethitische Schrifttradition über eine eigenständige Weiterentwicklung des Gebrauchs von Logogrammen verfügt, indem sie das in den älteren Schultraditionen übliche Verfahren der Verwendung von auf der sumerischen Sprache basierenden „Wortzeichen“ produktiv analysierte und auf das Akkadische übertrug. Damit dies möglich wurde, müssen hethitische „Gelehrte“ offenbar das traditionelle Verfahren analysiert und produktiv adaptiert haben.

In mehreren Vorträgen wurde auf Fehldeutungen der Rolle des Sumerische hingewiesen. Beispielsweise kann man in den mehrsprachigen Listen aus Hattuscha sehen, dass manchmal nicht das Sumerische, sondern das Akkadische als Organisationsprinzip diente.  Ein solcher Prozess setzt Reflexionen über sprachliche Katgorien und das Verhältnis von Schrift und sprachlicher Repräsentation voraus, die aber mangels einer explikativen Dokumentation bisher weitgehend von der Forschung vernachlässigt wurden. So zeigte sich, insbesondere auch in den Diskussionen mit den externen Workshop-Teilnehmern, die aufgrund ihrer spezifischen Expertise wichtige Hinweise und Anregungen liefern konnten, dass sich hier ein vielversprechendes Forschungsfeld öffnet, das – zumindest indirekt – epistemische Praktiken im Kontext von sprachlichem Wissen fassbar werden lässt.