Formen nicht-propositionalen Wissens in Theorie und Ästhetik der Frühen Neuzeit
Studientag mit Prof. Dr. Christiane Schildknecht (Universität Luzern), organisiert von Teilprojekt B05 „Theorie und Ästhetik von ‚Nicht-Wissen‘ in der Frühen Neuzeit“ (Leitung: Prof. Dr. Ulrike Schneider), 3.11.2014
26.11.2014
Bericht von Christina Schaefer
Vor dem Hintergrund aktueller Debatten um den Status des ‚Nicht-Propositionalen‘ in der Philosophie fokussierte der Studientag das Konzept ‚nicht-propositionalen Wissens‘ zunächst aus systematischer Sicht und diskutierte in einem zweiten Schritt seine Geltung für die Vormoderne an historischen Fallbeispielen.
Prof. Dr. Anne Eusterschulte (B03) eröffnete den Studientag mit einer kurzen Darlegung der Fragestellungen, mit denen sich die Konzeptgruppe III („Darstellung und Medialität“) befasst, und entwickelte dabei u.a. die für diesen Arbeitskontext zentrale Frage, ob sich ein Zusammenhang zwischen nicht-propositionalen Wissensformen einerseits und deren etwaigen nicht-intentionalen, nicht-reflexiven Entstehungskontexten andererseits herstellen lässt.
Prof. Dr. Ulrike Schneider machte in ihrer Einführung zur Themenstellung des Teilprojekts B05 deutlich, dass das Phänomen nicht-propositionalen Wissens in der Frühen Neuzeit eine zusätzliche Brisanz entfaltet, insofern immer wieder versucht wird, das einerseits explizit als ‚nicht erklärbar‘ und ‚nicht regelfähig‘ ausgewiesene Wissen (etwa um Facetten von Schönheit) andererseits doch in die normative Regel-Ästhetik zu integrieren und derart in ihrem Rahmen operationalisierbar zu machen.
Prof. Dr. Christiane Schildknecht stellte in ihrem Vortrag „Nicht-Propositionalität: Überlegungen aus philosophischer Sicht“ die zentralen Thesen der aktuellen philosophischen Forschung zum Phänomen nicht-propositionalen Wissens vor und modellierte ihrerseits einen differenzierten Begriff des Nicht-Propositionalen, der sich in diverse Unterformen (praktisches Wissen, ethisches Wissen, natürliches Wissen, ästhetisches Wissen, phänomenales Wissen, metaphorisches Wissen u.a.) auffächert. In teilweiser Abgrenzung zu anderen einschlägigen Theorien entwickelte sie die These, dass das nicht-propositionale im Vergleich zum propositionalen Wissen möglicherweise als das basalere und gerade nicht als das derivierte Phänomen anzusetzen sei.
Die auf den Vortrag folgende Diskussion, in der aus der Perspektive ganz unterschiedlicher Teilprojekte argumentiert wurde, kreiste u.a. um die Differenzierbarkeit der verschiedenen Unterformen nicht-propositionalen Wissens, den Unterschied von per se nicht propositionalisierbarem und vor-propositionalem (bzw. noch nicht propositionalisiertem) Wissen, das Verhältnis von Wissen und Erleben bzw. von Wissen und Erkenntnis sowie die Anwendbarkeit der Begriffe auf vormodernes Material.
Die zuletzt genannte Problematik wurde im Fortgang des Studientags aufgegriffen und – nunmehr teilprojektintern und im Austausch mit Frau Schildknecht und Frau Eusterschulte – konkret am historischen Material, genauer: an italienischen und spanischen Texten der Frühen Neuzeit, erörtert. Ausgehend von Diskussionsimpulsen zu Texten von Dolce, Lomazzo, Burriel, Feijóo und Firenzuola ging es um die Frage, inwiefern die zuvor systematisch diskutierten Kategorien zu einer besseren Beschreibung der spezifischen historischen Phänomene beitragen können.
Am Ende des Studientags bestätigte und vertiefte sich die Einsicht, dass die philosophische Begriffsarbeit eine höchst wertvolle und anschlussfähige Grundlage für die im Hinblick auf die philologische Anwendbarkeit zu adaptierende bzw. ggf. weiterzuentwickelnde Begrifflichkeit des Teilprojekts B05 darstellt. Als gemeinsames Desiderat der philosophischen wie philologischen Perspektive erwies sich die Arbeit an einem positiv gefassten Oberbegriff für bislang nur, im negativ-abgrenzenden Bezug auf das Propositionale, als nicht-propositional bestimmte Formen von Wissen.
Der Workshop fand in enger Kooperation mit Prof. Dr. Anne Eusterschulte (B03) statt.