Materialität der Liturgie
Ein Studientag veranstaltet mit Prof. Dr. CJ Jones und dem Teilprojekt B02 „Das Wunderbare als Konfiguration des Wissens in der Literatur des Mittelalters“ an der Freien Universität Berlin, 20.05.2022
22.02.2024
Bericht: Carolin Pape
Der Studientag zum Thema „Materialität der Liturgie“ fand im Anschluss an den Vortrag von Prof. Dr. CJ Jones (University of Notre Dame) mit dem Titel „Feste verwalten. Die Umsetzung liturgischer Normen im spätmittelalterlichen Kloster“ im Rahmen des Jour fixe am 20. Mai 2022 im Sitzungsraum des SFB 980 statt. Der Vortrag behandelte die mittelalterlichen Aushandlungen der Abfolge kirchlicher Feste und zeigte die Problematiken auf, mit welchen die Nonnen hinsichtlich der Einhaltung liturgischer Praktiken konfrontiert waren, wenn unterschiedliche Feste zeitlich zusammenfielen. Da verschiedene Feiertage (Ostern, Himmelfahrt, Muttertag etc.) bereits im Mittelalter nicht im Kalenderjahr auf ein bestimmtes Datum festgelegt waren, mussten ihre Daten jährlich neu festgelegt und ausgehandelt werden. Und das insbesondere dann, wenn sie mit anderen Festen zusammenfielen. CJ Jones zeigte in diesem Zusammenhang, wie liturgische Normen einerseits weitertradiert wurden und wie flexibel und aktiv andererseits einzelne Frauenklöster mit ihnen in Abstimmung mit anderen kirchlichen Institutionen umgingen.
Auf dieser Grundlage widmete sich der Studientag, den CJ Jones in Zusammenarbeit mit dem SFB-Teilprojekt B02 „Das Wunderbare als Konfiguration des Wissens in der Literatur des Mittelalters“ organisiert hat, Fragen der Materialität der Liturgie in Mittelalter und Früher Neuzeit. CJ Jones stellte dazu das erste und zweite Kapitel aus dem Liber ordinarius der Bursfelder Kongregation vor, in denen festgelegt wird, in welcher Weise der Gottesdienst abzuhalten ist. Geregelt werden darin sowohl individuelle Verhaltensweisen als auch Praktiken der Raumnutzung, wie etwa die Aufstellung der Nonnen beim Singen und der Umgang mit den verwendeten Büchern. Anschließend erläuterte Prof. Dr. Andreas Kraß (Humboldt-Universität zu Berlin) anhand von Material aus dem Berliner Repertorium („Online-Repertorium der mittelalterlichen deutschen Übertragungen lateinischer Hymnen und Sequenzen“) ästhetische Verfahrensweisen der Gattung des Hymnus. Anhand der Tradierung dieser Texte vom Lateinischen in die Volkssprache sowie ihrer Rahmung in künstlerisch hergestellten Handschriften werden Fragen nach der Materialität insofern relevant als das Medium Handschrift die fehlende Präsenz der liturgischen Praxis im Umfang eines synästhetischen Erlebens zu kompensieren versucht. Prof. Dr. Stephan Müller (Universität Wien) stellte schließlich ein geplantes Projekt vor, das die Zeugnisse der „Klosterneuburger Chorfrauen“ in der Stiftsbibliothek und dem Stiftsarchiv erforschen wird. Anhand dieses Beispiels zeigte sich, wie Spuren von Frauen in verschiedenen Medien und Materialien teilweise unsichtbar gemacht worden sind. Diese Spuren können nun mithilfe von DNA-Analysen oder der Analyse von Schreibmaterial und -ingredienzen verfolgt werden.
Die Diskussion des reichhaltig präsentierten Materials vertiefte Fragen des Wissens um verschiedene liturgische Praktiken, um deren Tradierung und auch um deren performative Aspekte, wie jenen der Einübung. Dabei zeigte sich, wie nicht nur verschiedene Formen von Material diese Praktiken mitbestimmen, sondern auch, wie sich liturgische Praktiken im Material, beispielsweise in Texten, niederschlagen und in dieser Form wieder ein performatives Potential entwickeln.
Die Veranstaltung wurde gefördert vom SFB 980 und aus Mitteln der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.