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Aesthetics as Epistemic Practice in Premodern Cultures

Jahrestagung des Sonderforschungsbereichs 980 „Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit“,
24.–26. Juni 2021

       

Der SFB 980 untersucht Wissenswandel in vormodernen Kulturen. Dabei gehen wir davon aus, dass der Transfer von Wissen stets an materiale wie mediale Objekte, Darstellungsverfahren oder Praktiken gebunden ist. Damit kommt zugleich die Frage nach den Vollzugsformen in den Blick, d.h. nach den Erkenntnis- und Wahrnehmungsweisen von Wissensbeständen sowie ihrer Ausprägung in unterschiedlichen soziohistorischen Kontexten – also nach der ästhetischen Dimension von Wissen und Wissenswandel.

Einerseits sind es materiale Objekte in ihren jeweiligen Eigenheiten, durch die Wissen generiert und verändert wird. Andererseits entstehen im Zuge des Transfers von Wissen zugleich kulturspezifische materiale Gestaltwerdungen, Darstellungsweisen und Medien. So nehmen Wissensbestände z.B. in oralen oder skripturalen, bildlichen oder performativen Darstellungsformen je unterschiedliche materiale Gestalt an und binden sich an verschiedene Medien. Sie zeigen sich also stets als ‚ästhetische‘ Phänomene in einem basalen Sinn des Wortes, die unterschiedliche Wahrnehmungsweisen befördern oder provozieren. Entsprechend gilt es, nach den jeweiligen mentalen wie sinnlich-leiblichen Erfahrungsweisen von Wissen zu fragen: etwa visuellen, taktilen, akustischen, affektiven wie imaginativen Wahrnehmungsmodi bis hin zu intellektualen Anschauungsformen. Es sind nicht zuletzt diese ästhetischen Dynamiken, in denen sich Wissen stets neu konstituiert und figuriert, in Szene gesetzt wird und zur Geltung kommt.

Die Jahrestagung 2021 „Ästhetiken als Wissenspraktiken der Vormoderne“ fragt in transkultureller Perspektive auf vormoderne, europäische wie nicht-europäische Kulturen nach solchen ästhetischen Verfahren der Wissensgenerierung sowie nach kulturspezifischen Modi oder Konzeptualisierungen ästhetischer Erfahrung. Inwiefern handelt es sich bei Ästhetiken um Praxis bzw. Wissenspraktiken? Was kennzeichnet kultur- und zeitspezifische ästhetische Phänomene in ihrem kulturellen Kontext? Welche Rolle spielen religiöse Hintergründe, kultische Praktiken oder handwerkliche Techniken? Welche Konzepte oder Begrifflichkeiten prägen sich aus? Welche ästhetischen Praktiken lassen sich aufzeigen? Wo werden sie wirksam und wie lassen sie sich beschreiben? Der Terminus ‚Ästhetik(en)‘ nimmt damit ausdrücklich keine Festlegung auf eine Theorie des (Kunst-)Schönen, auf Kategorien des Kunstwerks oder Konzepte eines Idealschönen oder Erhabenen vor. Vielmehr verstehen wir ihn als heuristisches, offenes Konzept, um im transkulturellen Vergleich das Spektrum an Bedeutungen und Praktiken in Hinsicht auf sinnliche Erfahrungskategorien, die Differenzierung sinnlich-anschaulicher Wahrnehmungsweisen, sinnlich-affizierende Potentiale von Gestaltung oder etwa sinnengebundene Denk- und Verstehensweisen auszuloten.

In diesem Sinne sprechen wir von ‚Ästhetiken der Vormoderne‘ und beziehen ausdrücklich implizite oder materialimmanente Reflexionen ein, um für ästhetische Prozesse auch und gerade da sensibel zu werden, wo eine begriffliche Beschreibungssprache fehlt oder die spezifische Erfahrungsqualität nicht greifen kann. Die Tagung zielt auf Beiträge, die aus transkultureller Perspektive in kultur- und wissensspezifischen Kontexten das Feld ästhetischer Praktiken als Wissenspraxis offen diskutieren.

  
Konzeption und Organisation: Konzeptgruppe VI „Medium und Material“
Leitung: Prof. Dr. Anne Eusterschulte (Philosophie), Claudia Reufer (Kunstgeschichte)