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Prof. Dr. Rainer Thiel: Die platonische Lehrtradition in Athen und Alexandria zwischen 440 und 530/630

06.11.2013

Vortrag und Workshop organisiert vom Teilprojekt A04 "Prozesse der Traditionsbildung in der De interpretatione-Kommentierung in Spätantike und Mittelalter" (Leitung: Prof. Dr. G. Uhlmann)

Der Workshop bot eine Einführung für das institutionentheoretische und -historische Thema des Vortrags im Jour fixe.
  

Workshop:

Der Workshop präsentierte einen Überblick über Leben und Schriften von der wichtigsten neuplatonischen Lehrer der Spätantike (s. Textblatt). Im Vordergrund standen dabei die Lehrer-Schüler-Verhältnisse und die Frage der Etablierung fester Lehrcurricula und Lehrpraktiken in Alexandria und Athen. Zentral ist dafür die Frage, wie sich der Wissenstransfer zwischen dem Corpus Platonicum und dem Corpus Aristotelicum institutionengeschichtlich und textgeschichtlich beschreiben lässt. Prof. Thiel erläuterte dies während des Workshops an konkreten Texten zur Theurgie bei Proklos und Ammonios, weil diese Texte Aufschluss über den religionspolitischen und kultischen Hintergrund des Unterrichts in den neuplatonischen Schulen geben können.


Vortrag
:

Im Vortrag verdeutlichte Prof. Thiel, dass noch der mittlerer Platonismus bis in das 4. Jahrhundert hinein ohne ein akademisches Zentrum wirkte. Die Akademie, die Schule Platons, wurde 86 v. Chr. mit Sullas Plünderungen, geschlossen. Erst im 4. Jahrhundert erfolgte eine Neugründung, die von einer gewissen Dauer war. Zwischenzeitlich gab es nur wenige kurzlebige Schulen.

Aufgrund der iustinianischen Gesetzgebung von 529, die ein Lehrverbot für pagane Juristen, Rhetoren und Philosophen beinhaltete, wird die Athener Schule unter Damaskios im Jahre 531 aufgegeben. Damaskios und Simplikios seien so mit fünft weiteren Platonikern kurzzeitig ins Perserreich ausgewandert.

Dass die Schule in Alexandria auch noch über das Lehrverbot hinaus weiter existierte, kann mit Damaskios' Verweis auf ein Arrangement des Ammonios mit dem Patriarch von Alexandria erklärt werden. Denkbar ist, dass die Offenheit der Schule für Christen, ihren Fortbestand sicherte.

Darüber hinaus erklärte Prof. Thiel den Aufbau des Organons und verwies auf die Bedeutung des Andronikos für eine Kanonisierung der Lektüre der Schriften in einer bestimmten Reihenfolge.

In diesem Kontext stellt Prof. Thiel auch heraus, dass das Unterrichten in platonischen und aristotelischen Lehren auch für Christen akzeptabel war. So hätten sich etwa im Klassenraum des Ammonios sowohl Christen (z.B. Zacharias, Johannes Philoponos) als auch Nicht-Christen gefunden .

Prof. Thiel zeigte somit an vielen Beispielen auf, wie ein geregelter Schulbetrieb eine institutionelle Konstanz gewährleistet, so dass Inhalte, die einen Geltungsanspruch erlangt haben, vermittelt und transferiert werden können.