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Formen und Transformationen Pythagoreischen Wissens: Ethik - Religion - Wissenschaft

22.10.2013 - 24.10.2013
The Pythagoras of Chartres

The Pythagoras of Chartres
Bildquelle: Jean-Louis Lascoux (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Tagung konzipiert und organisiert vom Teilprojekt C02 "Askese in Bewegung: Formen und Transfer von Übungswissen in Antike und Spätantike" (Leitung: Prof. Dr. A.-B. Renger)
 

In der pythagoreischen Überlieferung stehen zwei Auffassungen einander gegenüber – Pythagoras als religiöser Führer einerseits, als Philosoph und Wissenschaftler andererseits –, die bis in die Forschung der Gegenwart hinein eine Fülle von Thesen provoziert haben. Grundlegend war hier F.M. Cornfords Artikel „Mysticism and Science in the Pythagorean Tradition“ (1922). Seither sind verschiedene Versuche unternommen worden, die „mystischen“ Elemente des pythagoreischen Wissens mit den „wissenschaftlichen“ in Einklang zu bringen (vgl. Dodds, Burkert, Kingsley). Die aus diesem Ansatz resultierenden Rekonstruktionen waren allerdings oft nicht ohne Widersprüche, so dass sich in den letzten Jahren die Tendenz durchgesetzt hat, die beiden Aspekte zu trennen und separat zu analysieren (vgl. v.a. Huffman). Dies hat u.a. dazu geführt, dass die verschiedenen Wissensbestände der pythagoreischen Tradition bis heute zumeist unabhängig voneinander erforscht werden und die Zusammenhänge ihrer Entstehung, Tradierung und Epistemisierung immer mehr in den Hintergrund gerückt sind.

Zweck der geplanten Tagung ist es, diese Tendenz umzukehren. Gemeinsam soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die verschiedenen in der pythagoreischen Tradition bezeugten Wissensbestände nicht voneinander zu trennen sind, und inwiefern das praktische Übungs- und Erfahrungswissen der pythagoreischen Akteure – mit seinen asketischen Aspekten institutionalisierter Vorschriften und Lebensregeln – sowohl mit den religiösen, und vor allem „mystischen“, als auch den „wissenschaftlichen“ Wissensformen des Pythagoreismus zusammenhängt. So hat beispielsweise die Seelenwanderungslehre sowohl auf die Lebensvorschriften als auch auf die kosmologische Spekulation großen Einfluss ausgeübt. Dieser Tatbestand soll allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass es schon früh zu großen Spannungen innerhalb der Pythagoreer kam, die zu ihrer Trennung in Gruppen führten (vgl. akousmatikoi-mathematikoi; exoterikoi-eisoterikoi), und dass auch deshalb die überlieferten Wissensbestände vielfachem Wandel unterlagen. Die Lehren des Meisters wurden – je nach „Einweihungsgrad“ – verschiedentlich interpretiert und, hierdurch transformiert, weitergeleitet. So kam es zu einem Nebeneinander „rationalistischer“ und „dogmatischer“ Auslegungen – mit dem Ergebnis einer, wie schon bei Aristoteles festzustellen, oft problematischen Überlieferungslage, die es nicht erlaubt, die einzelnen Wissensbestände schlüssig zu rekonstruieren.

Angesichts solcher Schwierigkeit sollen auf der geplanten Tagung propositionale Bestände pythagoreischen Wissens mit dem vielfältigen nicht-propositionalen Wissen, das Pythagoras in der reichhaltigen biographischen Tradition bis in die Spätantike zugeschrieben wird, in Zusammenhang gebracht werden (Diog. Laert., Apoll. v. Tyana, Nikomachos v. Gerasa, Moderatos v. Gades, Iamblich). Dabei wird ein Desideratum der Konferenz darin bestehen, die pythagoreischen Lehren in Bezug auf das im Kontext asketischer Lebensdeutung „vorgelebte“ Übungs- und Handlungswissen der Pythagoreer (Lebensregeln, moralische Gebote, Gütergemeinschaft, Einbindung von Frauen u.a.) zu untersuchen und den damit verbundenen Zusammenhang von „Mystik“ und „Wissenschaft“ ins Licht zu rücken. Diese Prozesse sollen anhand spezifischer „epistemischer“ und „pseudo-epistemischer“ Wissensbestände (Metempsychose, Astronomie, Medizin, Zahlen- und Harmonielehre, Ethik und Politik) in ihrer Entwicklung von der archaischen Zeit (6. Jh. v. Chr.) über das Mittelalter (arabische Rezeption eingeschlossen) bis in die Vormoderne (17. Jh.) diachronisch und interdisziplinär analysiert werden. Zu den Schwerpunkten der Diskussion wird, neben der Erörterung von Begrifflichkeiten der Wissensforschung, zudem die Verständigung über die religionswissenschaftlichen Grundkategorien Mystik und Religion gehören, da sie ein breites Begriffsfeld abstecken.

 

Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung finden Sie hier.

Zeit & Ort

22.10.2013 - 24.10.2013

Seminarzentrum der Freien Universität Berlin, Otto-von-Simson-Straße 26, 14195 Berlin-Dahlem